Nachhaltigkeit beginnt vor der eigenen Hoteltür
Tourismus und Nachhaltigkeit haben in der Vergangenheit nicht immer gut zusammengepasst. Heute ist nachhaltiges Reisen gefragter denn je. Höchste Zeit, vor der eigenen Tür zu kehren, meint Guestline-Managerin Eva-Maria Bleifuß in einem Gastbeitrag. Es gibt viele Stellschrauben, mit nachhaltigem Wirtschaften zu starten.
In einer aktuellen Umfrage gaben rund 40 Prozent der Deutschen an, dass Nachhaltigkeit im Bereich Urlaub und Reisen für sie eine immer wichtigere Rolle spielt. Dabei geht es nicht nur um die Gretchenfrage Fernreise oder Urlaub im eigenen Land. Auch bei der Wahl von Unterkünften wächst das Umweltbewusstsein. Insgesamt 78 Prozent der Reisenden gaben 2022 an, im nächsten Jahr mindestens einmal in einer nachhaltigen Unterkunft übernachten zu wollen.
Der Druck auf die Hotellerie steigt
Da die Bedeutung nachhaltiger Geschäftspraktiken immer deutlicher wird, wächst der Druck auf die Beherbergungsbetriebe, ihre Betriebsabläufe entsprechend anzupassen. Laut Sustainable Hospitality Alliance muss das Gastgewerbe seine CO2-Emissionen pro Zimmer deutlich reduzieren. Nur so führt das prognostizierte Wachstum im Tourismus nicht zu noch mehr Emissionen.
Angesichts der anderen Herausforderungen, mit denen das Gastgewerbe derzeit konfrontiert ist, kann diese Aufgabe insbesondere kleinere Betriebe, die mit finanziellen und personellen Engpässen zu kämpfen haben, schnell überfordern. Viele haben darüber hinaus noch keine genaue Vorstellung davon, in welchen Bereichen Nachhaltigkeitsmaßnahmen möglich und sinnvoll sind.
Quick Wins durch einfache Maßnahmen
Kurzfristige Maßnahmen zielen vor allem auf einen effizienteren Umgang mit Ressourcen ab. Sie mögen an manchen Stellen trivial erscheinen, haben aber den schönen Nebeneffekt, dass sie sich neben der Emissionsreduktion auch positiv auf den Geldbeutel auswirken.
Dazu zählt, dass Betreiber ihren Gästen die Möglichkeit bieten sollten, die Häufigkeit des Wäschewechsels oder der Zimmerreinigung zu reduzieren. Manche Betriebe motivieren ihre Gäste mit einem Gratis-Getränk an der Bar, Treuepunkten oder kleinen Aufmerksamkeiten für jeden Tag, an dem auf die Reinigung verzichtet wird. Andere setzen auf Aufklärung.
Weniger Plastik und Lebensmittel spenden
Hygieneartikel können durch natürliche, biologische Produkte ersetzt werden und vor allem auf plastikintensive Reisegrößen sollte verzichtet werden. Auch Reinigungsmittel können auf umweltfreundliche und chemiefreie Varianten umgestellt werden. Handtücher, Bettwäsche, Einrichtungsgegenstände oder Elektrogeräte, die erneuert werden müssen, erhalten durch Spenden ein zweites Leben.
In vielen Gastbetrieben ist das Thema Lebensmittelverschwendung omnipräsent. Vorräte sollten regelmäßig überprüft werden. Die Tafeln freuen sich derzeit mehr denn je über Lebensmittelspenden. Unternehmen wie Too Good To Go helfen dabei, Lebensmittel vor dem Wegwerfen zu retten. Regionale Lebensmittel reduzieren Emissionen ebenso wie vegane und vegetarische Menüs. Wie bei Hygieneartikeln kann auch hier die Menge an Einzel- und Plastikverpackungen reduziert werden.
Der nächsten Schritte wollen gut geplant sein
Mit mittel- und langfristigen Maßnahmen legen Hotels das Fundament für einen nachhaltigen Betrieb. Papierloser Check-in und Check-out, Umstellung von Plastikkarten auf intelligente Schlösser, Zugangscodes oder schlüssellose Zugangssysteme – alles Ansatzpunkte, die sich nicht von heute auf morgen umsetzen lassen, aber in die Planung einfließen sollten.
Das betrifft auch die eigene Systemlandschaft. Viele Beherbergungsbetriebe setzen noch immer auf serverbasierte Hotelmanagement-Lösungen. Die eigenen Server benötigen viel Strom. Auch Cloud-Lösungen und die dafür nötigen Rechenzentren verbrauchen Strom, aber die Verlagerung von Workloads in cloud-basierte Systeme kann durch Nachhaltigkeitsmaßnahmen der Rechenzentrumsanbieter den CO2-Ausstoß erheblich reduzieren. Ein weiterer Vorteil: Cloud-Lösungen erleichtern Remote Work und Homeoffice.
Elektrofahrzeuge und entsprechende Ladestationen unterstützen die fossilfreie Fortbewegung. Investitionen in die Gebäudeinfrastruktur steigern die Ressourceneffizienz erheblich und ermöglichen Energieeinsparungen von bis zu 35 Prozent. Dazu gehören Solaranlagen, Fenster mit Mehrfachverglasung, intelligente Gebäudemanagementsysteme für Strom, Beleuchtung und Belüftung, Beleuchtungsanlagen mit Raumsensoren, wassersparende Toiletten und eine verbesserte Gebäudeisolierung.
Heute USP, morgen schon Standard
Die Quick Wins mögen bereits aufwendig erscheinen, erst recht die weitergehenden Maßnahmen. Aber jede Handlung im Hier und Jetzt ist eine Investition in die Zukunft. Für den Planeten, aber auch für jeden einzelnen Gastbetrieb. Der Fokus auf nachhaltiges Handeln wird weiter zunehmen, es wird immer mehr erwartet – sowohl von den Gästen als auch von der Politik. Wer heute Nachhaltigkeitsmaßnahmen umsetzt, der entwickelt einen USP für sich – noch. Denn schon bald wird das der Standard sein.
Eva-Maria Bleifuß leitet das operative Geschäft von Guestline im deutschsprachigen Raum. Das Unternehmen bietet cloud-basierte Hospitality-Softwarelösungen für das Property Management, das Gästeerlebnis und das Buchungsmanagement. Guestline ist seit fast 30 Jahren am Markt und die digitalen Lösungen sind bei rund 3.000 Hotels weltweit im Einsatz. Bleifuß arbeitet seit über zehn Jahren in der Tourismusbranche, unter anderem für Sabre, Trust You und H2C.