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20. November 2023 | 07:00 Uhr
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Geteiltes Echo auf Mehrwertsteuer-Erhöhung

Die Krone richten und mit neuer Kraft weiter machen? Oder laut jammern und neue Proteste initiieren? In dieser Brandbreite bewegen sich die Reaktionen auf die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie auf 19 Prozent. Einig sind sich die Wirtschaftsforscher: Sie loben die Entscheidung der Politik.

Mehrwertsteuer

Die Entscheidung der Politik, die Mehrwertsteuer für Speisen in Restaurants wieder auf 19 Prozent anzuheben, hat zahlreiche Reaktionen nach sich gezogen

Kritik kommt weiterhin von den Verbänden der Branche. "In einer so instabilen wirtschaftlichen Phase eine faktische Steuererhöhung mit Konsequenzen für Millionen Verbraucher zuzulassen, ist aus unserer Sicht eine Fehlentscheidung! Sie schadet dem Tourismusstandort Deutschland und großen Teilen der touristischen Wertschöpfungskette." Mit diesen Worten kommentiert der Generalsekretär des Bundesverbands der Deutschen Tourismuswirtschaft (BTW) Sven Liebert das Votum.

Und auch der Dehoga wiederholt mantraartig die bekannten Argumente. "Wir geben ernsthaft zu bedenken: Der erwartete fiskalische Effekt von Mehreinnahmen mit einer Steuererhöhung auf 19 Prozent kann genau ins Gegenteil umschlagen, indem durch Umsatzverluste die Erwartung von Mehreinnahmen nicht eintritt. Ertragsrückgänge bedeuten auch weniger Steuereinnahmen in Bund, Ländern und Kommunen. Betriebe, die nicht mehr existieren, können auch keine Steuern zahlen." kritisiert Guido Zöllick, Präsident des Dehoga Bundesverbandes.

Und als wäre das noch nicht ausreichend, mischt sich auch noch der Deutsche Wanderverband (DWV) in die Debatte ein und erklärt: "Die Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes in der Gastronomie gefährdet den Wandertourismus." DWV-Vizepräsident Thomas Gemke: "Die Wanderdestination Deutschland benötigt entlang von Wanderwegen Einkehrmöglichkeiten. Derzeit haben wir in Deutschland über 1.300 Qualitätsgastgeber Wanderbares Deutschland, 1.100 mit Speisenangeboten. Doch diese Betriebe haben spätestens seit der Corona-Pandemie und dem Arbeitskräftemangel erhebliche Probleme. Es droht eine Ausdünnung. Diese Gefahr wird mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 19 Prozent noch größer."

Kommt es noch einmal zu einer breiten Protestwelle?

Wirklich klar ist indes noch nicht, ob es bei den empörten Protestnoten bleibt oder ob es noch einmal einen breit organisieren Widerstand der Branche gibt. Die AGHZ berichtet davon, dass es dem Vernehmen nach verschiedene Aktionen geben soll, mit denen die Branche noch das Mehrwertsteuer-Ruder herumreißen möchte. Etwa in Form einer "Leere Stühle Aktion" auf fünf zentralen Plätze in fünf Großstädten, auf denen hunderte leere Stühle auf die Situation der Gastronomie nach der Steuererhöhung hinweisen. Ob sich aber die Gastronomen angesichts der Aussichtslosigkeit des Protestes ausgerechnet während des wichtigen Vorweihnachtsgeschäfts dazu noch einmal organisieren, gilt abzuwarten. 

Selbstkritische Töne von der Denkfabrik Zukunft der Gastwelt

Ohnehin stellt sich die Frage, wie zielführend solche Proteste noch sind. So gibt etwa Marcel Klinge, Vorstandsvorsitzende der Denkfabrik Zukunft der Gastwelt (DZG), zu bedenken: "Nun gilt es, das Beste aus dieser Situation zu machen und in der Kommunikation ab Januar 2024 herauszustellen, dass die Preisanpassungen den neuen politischen Rahmenbedingungen geschuldet sind. Angesichts der geringen Margen muss die Mehrwertsteuererhöhung aus unserer Sicht an die Kunden weitergegeben werden. In vielen Betrieben ist bei den Kosten einfach nicht mehr viel rauszuholen".

Klinge mahnt angesichts der politischen Schlappe in Berlin, nun kein schlechter Verlierer zu sein: "So bitter die Entscheidung ist, so sehr sie wehtut, sollten wir uns jetzt aber nicht alle Gesprächstüren für die Zukunft verschließen. Aus unserer Sicht müssen wir mit etwas Abstand auch kritisch reflektieren, was in den vergangenen Monaten gut, und was schlecht gelaufen ist: Welche Konsequenzen ziehen wir aus der Mehrwertsteuer-Pleite für unsere politische Arbeit in Berlin? Was können wir in Zukunft verbessern?" Er kündigt an, dass seine Denkfabrik dazu bis Ende des Jahres eine detaillierte Analyse vorlegen will.

Lob von den Wirtschaftsforschern für die Entscheidung der Regierungskoalition

In diesem Zusammenhang wird auch zu überprüfen sein, ob sich die Hiobsbotschaft der Dehoga, in 2024 würden nun 12.000 Betriebsschließungen als Folge der Mehrwertsteuererhöhung resultieren, wirklich bewahrheitet oder nicht. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) Marcel Fratzscher geht jedenfalls nicht von einer Pleitewelle aus. Fratscher sagte dem Spiegel: "Die Gastronomie hat die Preise in den vergangenen beiden Jahren bereits deutlich stärker erhöht als die Inflation. Es gibt keine Rechtfertigung für die Verlängerung der Mehrwertsteuersenkung mehr", so sein Fazit. Und wenn nun doch Unternehmen Insolvenz anmelden müssten, dann hänge das nicht notwendigerweise an der Mehrwertsteuer, sondern vor allem an strukturellen Gründen wie fehlenden Fachkräften. 

Auch das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) kann den Argumenten der Gastro-Lobbyisten nichts abgewinnen. "Der Ampel gebührt Lob, dass sie jetzt endlich stärker priorisiert", sagte Friedrich Heinemann vom ZEW der Nachrichtenagentur Reuters. Die Argumente der Gastronomiebranche für eine Entfristung der Steuersubvention seien immer schwach und widersprüchlich gewesen. "Diese sehr teure Vergünstigung ist sozial problematisch, weil sie besonders den Wohlhabenden zugutekommt", sagte Heinemann.

Pascal Brückmann

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