Wie sich die Vier-Tage-Woche in der Praxis schlägt
Seit mittlerweile etwas mehr als einem Jahr bietet die Hotelkette 25hours den Mitarbeitern als optionales Arbeitsmodell eine Vier-Tage-Woche an. Mit vielen positiven Effekten, aber auch Schattenseiten. Kathrin Gollubits (Foto), Personalchefin und Vice President of People & Culture zieht eine Bilanz.
Nach einem mehrmonatigen Testlauf in den Hamburger Häusern der Kette implementierte 25hours im April vergangenen Jahres ein optionales Vier-Tage-Arbeitszeitmodell für die Angestellten ihrer Hotels im deutschsprachigen Raum, für dass sich 80 Prozent der Mitarbeiter entschieden. Zeit, eine Bilanz zu ziehen. Personalchefin Kathrin Gollubits berichtet von zahlreichen positiven Effekten, die sich seitdem eingestellt haben. Aber sie hat auch einige nicht so schöne Seiten erlebt.
Offene Posten trotz gestiegener Bewerberzahlen
So kann die HR-Expertin eine aktuelle Kununu-Umfrage bestätigen, wonach sich die Vier-Tage-Woche vor allem im Bereich der Mitarbeitergewinnung bewährt. „Unsere Bewerberzahlen sind stark angestiegen“, sagt Gollubits. Das sei auch das Ziel des Projektes gewesen, da 25hours, wie die komplette Branche, nicht erst seit dem Beginn der Corona-Pandemie einen erheblichen Fachkräftemangel für sich sah. „Das Problem ist nicht neu“, sagt sie. Vor allem in der Küche und im Service der Restaurants gehe das „schon seit rund 15 Jahren so“.
Um diesem Missstand effektiv begegnen zu können, hat sich 25hours mit der Vier-Tage-Woche ein interessantes Modell einfallen lassen. Mitarbeiter können wählen, ob sie lieber 36 statt 40 Wochenstunden arbeiten wollen, bei unverändertem Gehalt. Die Stunden werden auf vier Tage verteilt, was neun Stunden täglich und einen zusätzlichen freien Tag in der Woche ergibt. Die Differenz von vier Stunden wird als eine Art Überstundenkonto angehäuft, das zur Arbeit genutzt werden kann, wenn sich die Notwendigkeit ergibt. Das Modell ist optional: Wer will, kann auch 40 Stunden an fünf Tagen arbeiten.
Eine spannende Variante, die Fachfrau Gollubits aber auch nicht als Allheilmittel sieht. Es habe seine Grenzen, die schlicht und ergreifend im vorhandenen Personal liegen. „Es gibt auf dem Markt einfach zu wenig gut ausgebildete Köche und Servicepersonal“, sagt sie. Daran ändere auch die Vier-Tage-Woche nichts. Generell aber habe sich die Personalsituation der 25hours-Häuser, in denen das Modell angeboten wird, ziemlich entspannt.
Was der Fachfrau aber wichtiger ist, sind die vielen positiven Rückmeldungen ihrer Angestellten. „Die Bindung an das Unternehmen ist mir wichtiger, als das bloße Recruiting“, sagt Gollubits. Sie erfuhr, dass diejenigen Angestellten, die sich dafür entschieden haben, noch motivierter als zuvor bei der Arbeit sind und sich auch gerne mehr Zeit für die Arbeit mit den Gästen nehmen. „Die arbeiten einfach gerne bei uns.“
Das Modell hat seine Tücken
Dass das Modell seine Tücken hat, musste sie ebenfalls erfahren. So kann es vor allem in Zeiten vermehrter Krankheitsfälle, wie beispielsweise in der Grippesaison im Herbst und Winter, zu Engpässen in eher dünn besetzten Bereichen des Hotels wie der Küche kommen. „Das kann ein Hotel dann auch schnell lähmen“, wie sie sagt. Um die Lücken zu füllen und den laufenden Betrieb reibungslos zu gestalten, werden die Vollzeitstellen dann mit Teilzeitkräften aufgefüllt, die den Job übernehmen können.
Auch gebe es hin und wieder Unmut bei denjenigen Angestellten, die, wie Azubis, duale Studenten oder schwangere Mitarbeiterinnen, von dem Modell ausgeklammert sind. „Die würden dann natürlich auch gerne einen dritten freien Tag in der Woche haben.“ Das geht aber nicht und dann wird gemeinsam mit diesen Angestellten geschaut, wie eine individuelle Schichteinteilung einen ähnlichen zeitlichen Benefit ermöglicht.
Generell hält Gollubits die Einführung des Modells für 25hours für einen „Gewinn“, zumal sich mittlerweile auch vermehrt andere Hotels für das Konstrukt interessieren: „Sogar Unternehmen aus anderen Branchen melden sich bei uns und wollen wissen, wie sie das adaptieren können.“
Denen schreibt Gollubits ins Stammbuch, dass sie es wie 25hours erst einmal testen sollten und sich auch nicht komplett auf dieses Modell verlassen dürfen. „Man braucht immer auch noch weitere Optionen.“
Die gute Nachricht: „Für uns funktioniert es im Ganzen sehr gut und es hat uns geholfen. Wir sind als Arbeitgeber dadurch noch moderner und zeitgemäßer geworden.“ Die Hotelkette wird auch künftig dabei bleiben, unterzieht das Modell in seiner derzeitigen Umsetzung aber bis Ende dieses Jahres einer Prüfung, um es anschließend noch passgenauer auf die Mitarbeiter und ihre Bedürfnisse auszurichten.
25hours ist Teil des Hospitality-Unternehmens Ennismore, einem Joint-Venture von Accor, das 2021 gegründet wurde. Aktuell gibt es 15 Hotels von 25hours im deutschsprachigen Raum und Häuser in Paris, Florenz, Dubai und Kopenhagen. Jedes Haus ist mit unterschiedlichen Designern individuell gestaltet worden.
Sven Schneider