IHA entwickelt Lösung für ESG-Reporting in der Hotelbranche
Die Hotellerie steht vor neuen regulatorischen Herausforderungen: Ab 2025 sind immer mehr Unternehmen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet. Um die Branche optimal darauf vorzubereiten, arbeitet der Hotelverband Deutschland (IHA) unter der Projektleitung von Julia Bismark (Foto) an einer branchenspezifischen Lösung.
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IHA
Julia Bismark, Referentin für Nachhaltigkeit beim IHA
Julia Bismark, Referentin für Nachhaltigkeit beim IHA, erklärt im Gespräch mit Hotel vor9, wie das Projekt die Hoteliers unterstützen soll und welche Herausforderungen es dabei zu meistern gilt.
Denn, Nachhaltigkeitsberichte sind kein freiwilliges Instrument mehr, sondern werden zur gesetzlichen Pflicht. Grundlage ist die europäische Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Sie verpflichtet Unternehmen schrittweise dazu, ihre Nachhaltigkeitsstrategie offenzulegen. Große Konzerne sind bereits betroffen (ab 500 Mitarbeitende und Umsatzerlöse > 50 Mio. €), ab 2025 trifft es auch die ersten mittelständischen Hotelketten. "In der Hotellerie müssen ab 2025 mindestens ein Dutzend Ketten ihre ESG-Aktivitäten erfassen und ab 2026 berichten", erklärt Julia Bismark.
Neben den direkt betroffenen Unternehmen gibt es auch eine indirekte Berichterstattungspflicht. "Große Unternehmen, wie VW oder Telekom, müssen in ihren Nachhaltigkeitsberichten die gesamte Lieferkette betrachten", sagt Bismark. "Das bedeutet, dass auch kleinere Hotels von ihren großen Kunden nach Nachhaltigkeitskennzahlen gefragt werden." Die Berichtspflicht betrifft somit nicht nur die Großen, sondern indirekt auch kleine und mittelständische Betriebe.
Hoher Aufwand und viele Fragen sorgen für Unsicherheit
Viele Hoteliers stehen vor der Herausforderung, dass sie weder die Zeit noch das Personal haben, um die komplexen ESG-Reportinganforderungen zu erfüllen. "Ein Hauptproblem wird der erhebliche administrative Aufwand sein", so Bismark. "Zudem fehlt es oft an Wissen, welche Daten erfasst und berichtet werden müssen." Hinzu kommen immobilienbedingte Herausforderungen: "Viele Bestandhotels sind nicht auf moderne Nachhaltigkeitsstandards ausgelegt. Oft gibt es technische Grenzen, die eine klimafreundliche Umrüstung erschweren."
Auch die Unsicherheit über die genauen gesetzlichen Anforderungen sorgt für Verunsicherung. "Die deutsche Umsetzung der CSRD ist noch nicht abgeschlossen, wodurch viele Fragen offenbleiben", erklärt Bismark. Das erschwert Investitionsentscheidungen und verhindert eine vernünftige Planung.
Die Branchenlösung als digitale Plattform ist bald verfügbar
Um die Hotellerie zu unterstützen, entwickelt der IHA gemeinsam mit Partnern eine Branchenlösung für das ESG-Reporting. Die technische Basis liefert der Anbieter Leadity. "Unser Ziel ist es, eine passgenaue Softwarelösung zu schaffen, die den Hoteliers hilft, ihre ESG-Pflichten effizient zu erfüllen", so Bismark. Kernstück ist eine digitale Wesentlichkeitsanalyse. "Diese Analyse hilft Hoteliers zu verstehen, welche Nachhaltigkeitsfaktoren für ihr Haus besonders relevant sind", erklärt Bismark. "Dabei geht es nicht nur um Umweltaspekte wie Energieverbrauch oder Wasseraufbereitung, sondern auch um soziale und wirtschaftliche Faktoren."
Die Software soll zudem als Wissensplattform dienen. "Viele Hoteliers wissen nicht, wo sie anfangen sollen. Unser Tool bietet Leitfäden, Best Practices und konkrete Handlungsempfehlungen", so Bismark. "Zusätzlich unterstützt es bei der Definition von Zielen und Maßnahmen, etwa zur CO2-Reduktion oder Energieeffizienz."
Breite Beteiligung der Branche am IHA-Projekt
Um eine praxisnahe Lösung zu entwickeln, arbeitet der IHA mit verschiedenen Akteuren zusammen. "In unserer Arbeitsgruppe sind rund 20 Teilnehmer vertreten, darunter Hotelbetreiber, Zulieferer und Nachhaltigkeitsexperten", berichtet Bismark. "Auch Wirtschaftsprüfer sind involviert, um sicherzustellen, dass die Software die gesetzlichen Anforderungen erfüllt."
Das Tool soll später nicht nur für große Ketten, sondern gerade auch für mittelständische Hotels nutzbar sein. "Unser Ziel ist eine Lösung, die sowohl für kleine Familienhotels als auch für große Hotelgruppen funktioniert", sagt Bismark. "Dafür entwickeln wir verschiedene Module, die je nach Bedarf genutzt werden können."
IHA-Mitglieder erhalten kostenfreien Zugriff auf die Inhalte
Die Software wird voraussichtlich ab Juni 2025 verfügbar sein. "Derzeit befinden wir uns mitten in der Entwicklung. Unser Ziel ist es, bis April eine marktreife Version zu haben", erklärt Bismark. Mitglieder des IHA erhalten kostenlosen Zugriff auf die branchenspezifischen Inhalte, während die Nutzung der Basistechnologie von Leadity kostenpflichtig ist.
Die ESG-Berichterstattung als Chance begreifen
Langfristig sieht Bismark in der ESG-Berichterstattung, insbesondere durch Unterstützung des Branchentools, nicht nur eine Belastung, sondern auch eine Chance: "Nachhaltigkeit wird für Gäste und Investoren immer wichtiger. Wer sich frühzeitig darauf einstellt, sichert sich Wettbewerbsvorteile." Auch könnte ESG-Reporting bald so selbstverständlich werden wie Buchhaltung. "Heute fragt sich niemand mehr, warum Finanzströme dokumentiert werden müssen", so Bismark. "In einigen Jahren wird das auch für Nachhaltigkeit gelten."
Pascal Brückmann