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27. August 2024 | 07:00 Uhr
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"Es geht nur noch um Life-Balance, ganz ohne Work"

Nur 60 Prozent der Azubis im Hotelgewerbe sind laut einer Umfrage des DGB mit ihrer Ausbildung zufrieden. Im Gespräch mit Hotel vor9 identifiziert Experte Alexander Aisenbrey (Foto) ein Problem, das weit über die Hotellerie hinaus geht: "Die Schaffung des mühelosen Wohlstandes ist ein Grund, warum Arbeit plötzlich als schwierig empfunden wird."

Fair Job Hotels Alexander Aisenbrey Foto Fair Job Hotels

Alexander Aisenbrey

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Herr Aisenbrey, was haben Sie gedacht, als Sie den neuen Ausbildungsreport des DGB gelesen haben?
Alexander Aisenbrey: Solche Berichte betrachte ich immer relativ. Es sind schnell mal ein paar Zahlen rausgeholt, erst einmal bin ich kritisch bei Umfragen und Statistiken. Muss man doch immer hinterfragen: Was und wer steckt denn wirklich dahinter?

Einverstanden. Aber die Umfrage ist repräsentativ und wird jedes Jahr durchgeführt. Trotzdem kann die Hospitality-Branche sich einfach nicht verbessern…
Natürlich ist das reduziert auf die Umfrage kein zufriedenstellendes Ergebnis. Aber die Ursache dahinter hängt vielleicht weniger an den konkreten Arbeitsbedingungen, sondern an einer Stimmung im Lande, die ich inzwischen als sehr problematisch empfinde. Wir versuchen unseren heutigen Wohlstand, den die Generationen zuvor mit viel Arbeit und Fleiß aufgebaut haben, ohne neue Mühe in die Zukunft zu überführen. Das ist für mich ein Grund, warum Arbeit plötzlich als schwierig empfunden wird. Die Schaffung des mühelosen Wohlstandes!

Die Auszubildenden beklagen in dem Report unter anderem, dass sie zu viele Überstunden leisten müssten.
Natürlich gibt es diese Spitzen und oft auch zu wenige Hände. Das gesamte Team muss in solchen Situationen zusammenhalten. Aber wer seinen Beruf mit Freude ausübt, sollte darin kein Problem sehen. Die Gewerkschaften müssen aufhören, die Arbeit permanent schlecht zu reden. Immer weniger Arbeit für immer mehr Geld, das kann doch nicht funktionieren. Auch wenn klar sein muss, dass Überstunden natürlich ausgeglichen werden müssen mit Freizeit oder Geld. Ebenso sollte eine angemessene Bezahlung selbstverständlich sein.

Das Problem hat also die Hospitality-Branche nicht exklusiv?
Genau, wir brauchen einem radikalen Mindset-Change. Es wird immer von der richtigen Work-Life-Balance gesprochen. Dabei geht es doch nur noch um die richtige Life-Balance, am besten ganz ohne Work. So kann es nicht weitergehen. Irgendwann haben wir nur noch Restaurants, die maximal an vier Tagen die Woche geöffnet haben, und auch am Wochenende bleibt das Lokal irgendwann ganz geschlossen, weil Wochenendarbeit als schlecht protegiert wird.

Verfolgt man die öffentlichen Initiativen vieler Player, bemüht sich die Branche schon lange um ein besseres Image und einen besseren Umgang mit den Mitarbeitern und natürlich auch den Auszubildenden. 

Der Fortschritt ist durch unsere Kleinteiligkeit der Branche oftmals nur in kleinen Schritten zu sehen. Viele Betriebe haben sich schon auf den Weg gemacht. Natürlich ist das immer subjektiv, aber aus meiner Arbeit heraus kann ich schon sagen, dass die Bereitschaft zur Veränderung auch in den Betrieben gegeben ist.

Nach dem Ausbildungsreport ist vor dem Ausbildungsreport. Was sollte die Branche und jeder einzelne Betrieb jetzt tun, damit es endlich besser wird?
Die vielleicht wichtigste Stellschraube ist das Führungsverhalten der Manager und Eigentümer. Wenn Sie sich als Führungskraft individuell, mit Empathie, Emotionen und sozialer Kompetenz um die Bedürfnisse der Mitarbeiter (ich persönlich spreche lieber von Gastgebern) kümmern, kann man ganz viel erreichen. Emotionale Intelligenz ist die Zauberformel für alle Manager. Oft sind es nur kleine Wünsche, die über das Gespräch gelöst werden können. Die passende Arbeitskleidung, gutes Essen oder auch individuelle Arbeitszeitwünsche. Scheinbar banal, aber am Ende kann ich so meine Gastgeber im Betrieb halten. Wir sprechen schon Jahre darüber und trotzdem gibt es noch zu viele schlecht ausgebildete und oftmals in der Vergangenheit lebende Manager. Wir brauchen keine Manager, wir brauchen Leader und am besten Coaches, um die volatilen und dynamischen Zeiten zu unserem Vorteil zu nutzen.

Mit Ihrem noch jungen Unternehmen, der Vorreiter AG, bieten Sie an dieser Stelle bekanntlich individuelle Unterstützung an. Wird das Angebot angenommen?
Ja, wir sind nun bald ein Jahr in unserer Selbstständigkeit und sind überwältigt worden von den Anfragen unserer Mandanten. Wir bieten die Einmaligkeit von über 100 Jahren praktischer und theoretischer Erfahrung. Das kombinieren wir mit emotionaler und kollektiver Intelligenz und drei verschiedenen Persönlichkeiten. Genau das ist der Beginn von einer langfristigen Zusammenarbeit, da wir uns auf die verschiedenen Unternehmenstypen aber vor allem auf die Menschen individuell einstellen. 

Wie läuft ein solcher Prozess normalerweise ab? 

Zahlen, Daten Fakten sind wichtig, aber entscheidend ist die emotionale Begeisterung der Menschen. Wir haben unser eigenes Menschentypenmodell, das Wau-Modell (wau-analyse.de) entwickelt, wir gehen auf die Generationen ein und wir berühren die Individuen. Der erste Schritt beginnt immer mit einem Mystery Check, einem Magic Moment Mindset Training und individuellen Gesprächen über alle Ebenen. Daraus erarbeiten wir dann einen Plan für die Zukunft.

Zur Person: Alexander Aisenbrey ist Gründer und 1. Vorsitzender von Fair Job Hotels e.V. und Vorstandsmitglied des Förderer der in der Hotellerie und Gastronomie Beschäftigten und Auszubildenden e.V. Zudem engagiert er sich unter anderem als Mitglied des Hochschulrates der IST-Hochschule für Management und Vorstand des Förderer der in der Hotellerie und Gastronomie Beschäftigten und Auszubildenden e.V. Gemeinsam mit Alex Obertop und Oliver Mathée hat der langjährige GM des Öschberghof im Oktober 2023 die Vorreiter AG gegründet, die unter anderem praxiszentrierte Beratung für Hotelbetriebe anbietet.

Das Gespräch führte Pascal Brückmann

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