"Die Lage der Hotels ist weiter angespannt"
Wie ist es eigentlich um den Zustand der deutschen Hotelwirtschaft bestellt? Steigende Umsätze, aber gleichzeitig steigende Lohn und Bewirtschaftungskosten sorgen bestenfalls für ein Nullsummenspiel. Im Interview mit Hotel vor9 zeigt sich Treugast-Chef Michael Lidl (Foto) skeptisch: "Die Lage der Hotels ist weiterhin angespannt."
Michael Lidl ist geschäftsführender Partner der Treugast Solutions Group. Die Unternehmensberatung aus München erstellt regelmäßig Analysen und Gutachten über und für die Hospitality-Branche. Wir sprachen mit ihm.
Herr Lidl, die deutsche Hotelbranche hat im vergangenen Jahr einen Umsatzrekord erzielt. Wie ist die Erwartung an das Jahr 2024?
Michael Lidl: Im Jahr 2024 wird die weitere Markterholung sowie die EM zu einem weiteren Nachfrage- und Umsatzwachstum führen. Allerdings muss man stark relativieren. Zum einen handelt es sich um rein nominale Umsatzrekorde in den Jahren 2023 und 2024, inflationsbereinigt liegen wir weiterhin unter der Vor-Corona Zeit. Zum anderen ist der Hotelmarkt seit 2019 weiter angebotsseitig gewachsen. Bei den realen Umsätzen pro Betrieb, also den inflationsbereinigten Revpars liegt der deutsche Hotelmarkt per Ende 2023 noch etwa 14 Prozent unter dem Jahr 2019. Das werden wir auch 2024 noch nicht voll aufholen, sondern wird voraussichtlich noch bis mindestens 2026 dauern.
Kostensteigerungen im Bereich Personal und Einkauf, trotzdem bleibt die Entwicklung der Raten eher überschaubar. Wird das irgendwann zum Problem?
Das wird kein Problem, das ist bereits ein akutes Problem. Wir kommen aus drei Corona-Krisenjahren und sind in einer Branche mit insgesamt eher niedrigen Margen. Zum Teil gibt es noch gestundete Pachten, die nachzuzahlen sind und die hohe Inflation hat die Pachten weiter ansteigen lassen. Die Mehrwertsteuer auf Speisen ist seit Januar 2024 wieder auf 19 Prozent. Die Lage ist weiterhin angespannt.
Wie verhält es sich mit den Energiekosten, die Entspannung an dieser Stelle dürfte sich doch zunehmend positiv in den Bilanzen niederschlagen?
Entspannung ist relativ. In der Tat ist der Energiepreisindex im Vergleich zur Hochpreisphase 2022 um ca. 50 Prozent gefallen. Im Vergleich zum Jahr 2019 liegt der Energiepreisindex allerdings weiterhin 30 Prozent höher. Auf diesem Niveau scheinen sich die Preise einigermaßen zu stabilisieren.
In der Branche wird seit fast einem Jahr nahezu ununterbrochen über KI gesprochen und diskutiert. Der messbare wirtschaftliche Nutzen, lässt der sich inzwischen seriös beziffern?
Nein, KI steckt noch in den Kinderschuhen. Bis zur Vorstellung von Chat GPT im November 2022 hat außerhalb der IT-Welt noch keiner über KI gesprochen. Wir stecken noch inmitten der Digitalisierung und Automatisierung. Hier ist in den letzten Jahren sehr viel passiert und es gibt bereits viele Use-Cases, in denen Digitalisierung und Automatisierung zu nachweislich wirtschaftlichem Nutzen führt. Hotelkonzepte wie Limehome, Numa Stays oder WMM-Hotels zeigen, was da möglich ist.
Wie sind die weiteren Aussichten, auch über 2024 hinaus? Dieses Jahr profitiert durch von einigen positiven Sondereffekten wie der Fußball-EM und viele Großkonzerte. Die Hürde für das Jahr 2025 dürfte entsprechend hoch sein.
Die WM 2006 in Deutschland hat gezeigt, dass positive Image-Effekte eines solch Groß-Events nachhaltigen Nachfragewachstum bei den Übernachtungen bringen können. Die Weltwirtschaft scheint sich trotz Krisenherden zu stabilisieren und sollte konstant mit knapp über drei Prozent BIP-Wachstum weiter steigen, was sich positiv auf die Tourismuszahlen auswirkt. Zudem hat sich das Angebotswachstum in Deutschland, also die Anzahl neuer Hotelprojekte, durch die hohen Zinsen, deutlich abgeschwächt. Entsprechend positiv blicken wir in die Zukunft: Wir erwarten weiterhin steigende Nachfrage bei stagnierender Angebotsentwicklung.
Das Gespräch führte Pascal Brückmann
Lesen Sie morgen Teil 2 des Interviews