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13. Februar 2023 | 07:00 Uhr
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Barrierefreie Hotels: "Irgendetwas fehlt immer"

Mit Barrierefreiheit tun sich deutsche Hoteliers schwer. Selbst Häuser, die für sich Barrierefreiheit reklamieren, setzen diese nicht umfassend um. Im Gespräch mit Hotel vor 9 erzählt der schwerbehinderte Auditor und Berater für Barrierefreiheit in Hotels, Johann Kreiter, woran es mangelt – und welche Lösungen es geben kann.

Barrierefreiheit Rollstuhl Foto iStock Raul_Mellado

Barrierefreiheit ist noch immer nicht der Standard

Herr Kreiter, was müsste denn passieren, damit sie mit einem Hotel so richtig zufrieden sind?

Es muss barrierefrei sein. Ganz einfach.

Wie ist ihrer Meinung nach die deutsche Hotellerie in Sachen Barrierefreiheit aufgestellt?

Man findet wenig umfassend barrierefreie Hotels, und von denen ist keines hundertprozentig barrierefrei. Irgendetwas fehlt immer.

Können Sie Beispiele angeben?

Ich muss einen Parkplatz nahe dem Eingang des Hotels oder in der Tiefgarage nahe des Aufzugs haben und ebenerdig zur Rezeption kommen. Um meine Anmeldung auszufüllen, benötige ich einen Tisch auf meiner Sitzhöhe, der Aufzug muss groß genug sein, damit ich über ihn mein Zimmer erreiche, und ich brauche einen unproblematischen Zugang zum Zimmerschloss. Die oft eingesetzten elektronischen Schlösser für digitale Schlüsselkarten sind entweder zu hoch angebracht oder für Menschen mit kognitiven und motorischen Problemen schwierig in der Bedienung. Ein barrierefreies Zimmer nützt mir nichts, wenn ich es nicht betreten kann.

Und in den Zimmern selbst?

Die Eingangstür muss breit genug für meinen Rollstuhl sein, mindestens 90 Zentimeter. Und leichtgängig - ich habe oft erlebt, dass die Türen aufgrund feuerpolizeilicher Maßnahmen mit einem Türschließer versehen sind und ich sie nicht aufkriege. Die Freiflächen und Flure sollten mindestens 150 Zentimeter breit sein, damit ich im Zimmer navigieren und auch die Türen der einzelnen Räume öffnen kann. Auch im Bad oder im Schlafzimmer brauche ich viel Platz, damit ich mit dem Rollstuhl zum Bett oder zur Toilette komme und mich auch drehen kann. Ich muss die Vorhänge auf und zu machen können, aber meistens steht der Schreibtisch davor, dann klappt das nicht. Generell muss alles – von der Kleiderstange im Schrank bis zu Föhn, Handtuchhalter, Duscharmaturen oder Notrufknopf - so niedrig und erreichbar sein, damit ich es nutzen kann.

Warum tun sich viele Hoteliers damit so schwer?

Unter anderem, weil der Hotelier das Zimmer auch an Nicht-Behinderte vermieten muss, die sich an einer solchen Ausstattung durchaus stoßen könnten oder sie nicht wollen. Für Nicht-Behinderte sind viele barrierefreie Features wie tief angebrachte Armaturen und Schalter ungewohnt.

Wäre eine doppelte Inneneinrichtung eine Lösung? Doppelte Tische, doppelte Toiletten, all das?

Das ist schwer umsetzbar. Es geht auch anders: Jedes Mal, wenn ich in Berlin bin, buche ich mich im Hotel Kuhdamm 101 ein, und der Hotel-Direktor sorgt immer dafür, dass ich ein Zimmer bekomme, dass auf mich und meine Notwendigkeiten zugeschnitten ist. Funktioniert aber nur, weil ich im Vorfeld sage, was ich brauche. Dann wird der Raum entsprechend hergerichtet. Das zeigt auch, dass sich Behinderte nicht komplett zurückziehen und auf den Hotelier verlassen können. Sie müssen ihre Bedürfnisse im Vorfeld klar benennen, damit das Hotel erfährt, was für eine Einrichtung sie brauchen.

Die breite Masse der deutschen Hotellerie besteht aus kleinen und mittelständischen sowie inhabergeführten, manchmal denkmalgeschützten Häusern. Lässt sich Barrierefreiheit in diesem Segment überhaupt umsetzen?

Es ist schwieriger, aber ich habe auch schon erlebt, dass ein Hotelier mit einem Architekten sein Hotel neu gedacht und umgebaut hat. So wurde dann aus zwei kleinen Zimmern ein Großes, in dem sich Rolli-Fahrer bewegen können. Wer sowas machen will, kann sich mit seinen Bauplänen an das Deutsche Seminar für Tourismus (DSFT) oder an mich wenden … dann wird mit zertifizierten Prüfern geschaut, inwiefern man unter Einhaltung gängiger Normen baulich optimieren kann.

Sie verfügen durch ihre Arbeit über andere Informationskanäle als normale Gäste. Wie sieht es seitens der generellen Informationslage zur Barrierefreiheit eines Hotels aus?

Vor allem kleinere Häuser, Ferienhotels und Pensionen haben da große Probleme. Mehr als „barrierefreies Zimmer vorhanden“ oder „behindertengerechtes Zimmer vorhanden“ steht da nicht. Eine gute Ausnahme sind die Hotels der Accor-Gruppe … da ist auf der Internetseiten alles ersichtlich, sogar, wie viele barrierefreie Zimmer sie haben.

Zertifikate gibt es in der Hotellerie mittlerweile wie Sand am Meer. Was ist davon zu halten?

Die meisten berücksichtigen keine Behinderten oder eben nur die Rollstuhlfahrer. Beim Zertifikat von „Tourismus für Alle“ sind aber die einzelnen Behinderungen separiert, für jede gibt es unterschiedliche Anforderungen und Prüfungen, um ein solches Zertifikat zu erhalten. Daran können sich Hoteliers wie auch Behinderte umfassend orientieren.

Kreiter Johann.jpg

Der in Stuttgart lebende Johann Kreiter sitzt aufgrund einer Polio-Erkrankung seit seiner Teenager-Zeit im Rollstuhl und arbeitet seit 1977 als barrierefreier Tourismusberater, mittlerweile auch im Auftrag für die Nationalen Kommunikationsstelle Barrierefrei im Alltag (NatKo) und dem Deutschen Seminar für Tourismus (DSFT). Für seine Arbeit erhielt er 1999 von der Vereinigung Deutscher Reisejournalisten  den renommierten „VDRJ-Preis für besondere Dienste um den Tourismus“ und 2011 den „Ehrenpreis des Tourismusausschusses des Deutschen Bundestages“.

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