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27. Mai 2024 | 21:15 Uhr
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Wie Chefeinkäufer Jochen Oehler der Branche den Puls fühlt

25 Dienstjahre als Geschäftsführer von Progros, einer der größten Einkaufsgesellschaft für die deutschsprachige Hotellerie, – Jochen Oehler (Foto) durfte gerade erst ein besonderes Jubiläum feiern. Doch im Gespräch mit Hotel vor9 blickt er primär in die Zukunft: "Wir müssen die Hotellerie endlich industrialisieren. Nicht gegenüber dem Gast. Aber in Bezug auf die Prozesse im Hintergrund."

Jochen Oehler Progros Best Western BWH

Auch nach 25 Dienstjahren, Jochen Oehler blickt unverändert nach vorn.

Schon vor dem runden Jubiläum vor einem Monat durfte man Jochen Oehler getrost als ein wichtiges Urgestein der hiesigen Hospitality-Branche bezeichnen. Er ist beliebt, geschätzt und gilt nicht zuletzt als die Manager-Persönlichkeit, die den Einkauf überhaupt erst als eine relevante Management-Aufgabe in der deutschen Hotellerie etabliert hat. Sein Plädoyer für den professionellen Einkauf geht inzwischen weit hinaus über die einstigen Kernargumente wie eine verbesserte Rentabilität, stabile Beziehungen zu den Lieferanten und die besten Waren zum richtigen Preis. Doch der Reihe nach.

Zunächst die 25 Jahre im Schnelldurchlauf: 1999 übernahm Jochen Oehler als Geschäftsführer die damals noch überschaubare Einkaufsgesellschaft, die historisch die Funktion hatte, für die Best Western Hotels die Warenbeschaffung zu übernehmen. Ein Vierteljahrhundert später ist die Progros ein völlig anderes Unternehmen: Verfünffachung der Kundenanzahl, Verzehnfachung des Einkaufsvolumens, Vervierfachung der Tätigkeitsfelder, Verzehnfachung der Teammitglieder – diese prägnanten Kennzahlen wurden anlässlich des Jubiläums von Oehler ermittelt.

Ein Unternehmen, aufgestellt wie ein Hotel

Die Mitgründung des Dienstleistungsunternehmens Allinvos (2008), das auf digitale Prozesse der Hospitality Branche spezialisiert ist, ein weiterer Meilenstein in der Karriere von Oehler. Nach herausfordernden Anfangsjahren ist das Unternehmen heute mit einem eigenen Kundenstamm von über 1.200 Hotels & Hotelmarken aus 13 Ländern Europas eine weitere Erfolgsbeteiligung im Verbund der Best-Western-Hoteliers. Über die DEHAG Hospitality AG als Holding kontrollieren diese inzwischen fünf Unternehmen. Neben Allinvos sind das die BWH Hotels, die B.W. Betriebsgesellschaft, Unitels (Beratungsunternehmen für die Privat-Hotellerie), Allinvos und eben Progros. Seit 2018 lenkt Oehler zusätzlich als Vorstand Marketing & Strategie mit zwei weiteren Vorstandskollegen die Geschicke der DEHAG Hospitality Group. 

Doch zurück zur eigentlichen Geschichte der Progros. "Unser Unternehmen ist im Prinzip aufgebaut wie ein Hotel. Wir haben Fachbereiche für Küche, Housekeeping, IT, Technical Development und Interieur. Durch die spezifische Kompetenz der einzelnen Einkaufsbereiche können sich die Kunden darauf verlassen, dass ihre Bedürfnisse und Wünsche auch tatsächlich fachgerecht und damit bestmöglich erfüllt werden", verrät Oehler ein wesentliches Grundprinzip.

Beratung und Digitales als eigene Geschäftsfelder

Neben der Beschaffung von Waren für den täglichen Hotelbetrieb bietet die Progros auch die vollständige Ausstattung eines Hauses an, sei es bei einem Neubau oder bei einer Konversion. "Jährlich statten wir etwa 10 bis 15 Hotels teilweise komplett aus, vom Bett über das Besteck, den Föhn, sämtliche Möbel bis hin zu Bodenbelägen", berichtet Oehler. Ergänzend dazu nehmen viele Hoteliers zunehmend weitere Services in Anspruch. Denn neben dem bekannten Einkaufspool "Progros United" sowie dem Full-Service-Projektmanagement für die schlüsselfertige Einrichtung und Ausstattung, hält Progros mit den eigenständigen Geschäftsfeldern "Consulting" und "Digital" inzwischen weitere Dienstleistungen für die Hoteliers bereit. Treiber dieser Entwicklung sei weniger der Kostendruck, sondern eher die fehlenden eigenen Mitarbeiterkapazitäten und Kompetenzen in den Hotels, analysiert Oehler. 

Von den gut 200 Millionen Euro bei der Progros platzierten Einkaufsvolumen entfällt mit fast 50 Prozent der Löwenanteil auf den Bereich Food und Getränke. Gerade in diesem Segment hatte die zuletzt stark gestiegene Inflation die Kunden in Alarmstimmung versetzt. Die Corona-Pandemie und die Folgen des Ukraine-Kriegs waren für Oehler zweifelsohne die herausforderndsten Jahre seiner Karriere. "Wir hatten keine Umsätze, keine Erträge. Trotzdem haben wir den Support für die Hotels fortlaufend bereitgestellt", erinnert sich Oehler. Und er spricht darüber, wie er aus der Krise gelernt habe. So setzte er die Jahresgebühr für die Hoteliers nach oben und beendete proaktiv Verträge mit Kleinstkunden, deren jährliches Einkaufsvolumen die Marke von 100.000 Euro zu deutlich unterschritt. Auch seine eigene Organisation passte er an, machte die Teams kleiner und dafür agiler. Heute stehe die Progros gut da und sei für die nächsten Entwicklungsschritte gerüstet.

Jochen Oehler fühlt der Branche regelmäßig den Puls

Für seine Kunden, die Hoteliers, sieht Oehler aber weiter herausfordernde Zeiten. "Derzeit gibt es nur wenig Wachstum bei den Buchungen oder den Raten, da muss man kaufmännisch sehr wach sein", meint der Progros-Geschäftsführer. Er weiß, wovon er spricht, fühlt er doch ständig den Puls der Branche anhand des Einkaufsverhaltens der Hoteliers. "Im Grunde sehen wir mit zweimonatiger Vorlaufzeit, wie gut die Hotels ausgelastet sind oder nicht", erklärt Oehler. Und so nährt sich gerade sein Eindruck, dass die Geschäftsentwicklung derzeit nicht ganz die hohen Erwartungen der Branche erfüllt.

Umso wichtiger sei es, dass die Hoteliers ihren Fokus nun konsequent auf Prozesse und ihre Wettbewerbsfähigkeit legen würden. "Wir müssen die Hotellerie industrialisieren. Nicht gegenüber dem Gast, aber in Bezug auf die Prozesse. Ein Hotel muss es schaffen, in den Bereichen hinter den Kulissen effizienter und automatisierter zu werden", so das Credo von Oehler.

Noch Fantasie und Wachstumspotenzial durch Internationalisierung

Der professionelle Einkauf sei dabei ein wichtiger Baustein. Durch Algorithmen und KI könne den Hoteliers ein immer weiter optimierter Warenkorb angezeigt werden, der auf den Bedürfnissen und den Kennzahlen der Vergangenheit basiere. In Kombination mit einem automatisierten Warenabgleich komme dann die neue Ware zum optimalen Zeitpunkt in der richtigen Menge im Hotel an.

Den Erfolg der Progros will Oehler in Deutschland absehbar weniger über die Anzahl der Kunden definieren. "Mir ist ein höherer Konzentrationsgrad unserer Kunden bei der Nutzung unserer ergänzenden Services wie Beratung oder IT-Infrastruktur strategisch wichtiger als das Wachstum über Neukunden im Geschäftsfeld Einkauf", erklärt Oehler.  Dieses sieht er eher außerhalb des Heimatmarktes. "Wir haben eine klare Internationalisierungsstrategie, insbesondere in den Märkten Österreich, Niederlande, Luxemburg, Schweiz, Tschechien und Slowenien". Trotz Dienstjubiläum, trotz eines Alters von inzwischen 60 Jahren: Jochen Oehler blickt unverändert nach vorn. "Wir haben junge und starke Führungskräfte in den letzten Jahren aufgebaut und entwickelt, sodass Progros für die Zukunft gut aufgestellt ist", sagt er. Und betont damit, wie wichtig es ihm ist, rechtzeitig einen geeigneten Nachfolger mit aufzubauen.

Pascal Brückmann

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