"Viele Möglichkeiten, ohne OTAs Nachfrage zu generieren"
Hotelier und IHA-Vorstandsmitglied Marco Nussbaum (Foto) ist die Abhängigkeit vieler Hotels von Buchungsportalen ein Dorn im Auge. Er empfiehlt im Interview mit Hotel vor9, lieber in die Mitarbeiter zu investieren und den Direktvertrieb zu stärken, statt durch Provisionen die "eigene Bedeutungslosigkeit im Internet" zu finanzieren.
Herr Nussbaum, warum plädieren Sie dafür, dass Hotels den Direktvertrieb stärken und sich unabhängiger von OTAs wie Booking.com zu machen. Schließlich generieren OTAs eine Reichweite, wie es der Direktvertrieb nicht könnte.
Ist es nicht spannend, dass uns diese Frage schon seit vielen Jahren beschäftigt und dennoch nie an Aktualität einbüßt? Als Hotelier sollte ich mir ganz genau Gedanken machen, wie ich mein Geld investiere. Und wenn ich Provisionen an OTAs bezahle, finanziere ich im Umkehrschluss auch meine eigene Bedeutungslosigkeit im Internet. Das ist nicht förderlich für ein nachhaltige unternehmerische Ausrichtung. Ehrlich gesagt glaube ich auch, dass sich die breite Masse der Hoteliers noch gar nicht groß damit im Detail beschäftigt hat, wie Booking überhaupt arbeitet.
Inwiefern?
Simples Beispiel. Ich bin aktuell wieder viel auf Reisen und buche oftmals meine Übernachtung sehr kurzfristig. Und wenn ich dann bei einem Hotel anrufe, auch gerne einmal nach 18 Uhr, nach einem Zimmerpreis frage, bekomme ich in der Regel immer einen Preis, der über dem ist, den Booking anzeigt. Auf die Frage, ob ich den Preis denn dann auch direkt bekommen würde, erhalte ich oftmals die Antwort, dass das leider nicht geht und ich doch bitte über Booking buchen soll. Gesagt getan und so habe ich jetzt mittlerweile beim Treueprogramm von Booking den Genius Level 2. Bei teilnehmenden Hotels (und das sind echt viele) erhalte ich damit einen Rabatt von 15 Prozent, eventuell noch ein kostenloses Frühstück und wenn ich dann noch über die App buche, in vielen Fällen eine „mobile only“ Rate, die ebenfalls noch einmal vergünstigt ist. Die Provision muss das Hotel natürlich zahlen, ebenso wie die Gebühr, wenn ich mit Kreditkarte bezahle. Von Systemgebühren auf Grund von Schnittstellen oder Franchise Fees will ich jetzt gar nicht reden. Ich bin mir daher nicht wirklich sicher, ob jedes Hotel weiß, was es da macht.
Was wäre denn ein Ausweg?
Den Direktvertrieb ausbauen. Ich denke, dass eine Distributionskultur oder Strategie jede Phase des Unternehmens durchdringen muss. Das beginnt dann schon bei der Ausbildung meiner Mitarbeiter. Lieber investiere ich da mein Geld, als Provisionen an OTAs zu zahlen.
Mit der Investition in meine Mitarbeiter habe ich aber noch kein Zimmer verkauft.
Das sehe ich anders. In meinen Augen generieren doch die Mitarbeiter die wiederkehrenden Gäste und damit den Umsatz. Sehen wir das doch mal als langfristigen Umsatzkreislauf. Zuerst wird Nachfrage generiert, dann der Umsatz durch Revenue Management optimiert, und dann kommt der Gast ins Hotel. Wenn jetzt die Mitarbeiter einen super Service bieten, spricht sich das herum, in den sozialen Medien, im Freundeskreis, bei Bewertungsportalen. Virtuelle und auch physische Mund-zu-Mund Propaganda eben. Dadurch wird dann neue Nachfrage generiert. Insofern habe ich auch einen massiven Einfluss darauf, wie mein Hotel wahrgenommen wird. Und eines ist doch klar und auch wissenschaftlich nachgewiesen, je höher die Bewertung, umso höher die Durchschnittsrate.
Wie kann ich das denn noch forcieren?
Es gibt viele Möglichkeiten, außerhalb der OTAs Nachfrage zu generieren, von Google AdWords, über Social Media wie Facebook, Instagram oder anderen Portalen, hin zu PR-Maßnahmen oder eben Newsletter, dieses Format wird in meinen Augen komplett unterschätzt.
Und das reicht?
Nein, es ist ein Schritt von vielen. Enorm wichtig ist die eigene Webseite. Wenn die nicht gut und informativ aufgebaut ist und über eine eigene Booking Engine verfügt, steigt der Gast schnell aus und bucht dann eben über Booking und Co. Ich hab mir viele Hotelwebsites angesehen, die meisten sind eine Katastrophe. Im Endeffekt ist Booking da tatsächlich eine Benchmark, bei aller berechtigten Kritik, die man an ihnen äußern kann. Aber was die machen, machen die einfach richtig, richtig gut. Die App ist super und die Buchungen gehen wahnsinnig schnell durch. Wer da hinkommen will, muss sich schon ganz schön anstrengen. Das ist allerdings auch nicht wirklich neu.
Wie gelingt denn bestenfalls eine Kundenbindung?
Wir sind mit die einzige Branche, bei der man, egal was ist, immer direkten Kundenkontakt hat. Denn der Gast muss ja ins Hotel. Das ist total wertvoll.
Und wie nutze ich das dann als Hotelier?
Das muss jeder selbst entscheiden, wie er mit seinen Kunden und den Kundendaten umgeht. Aber allein schon ein gutes Customer Relationship Management, ein CRM, ist Gold wert.
Was meinen Sie?
Wir reden über Rabatte, Sonderaktionen, personalisierte Sonderangebote, einfach Vorteile für wiederkehrende Gäste. Das kann man ins Endlose treiben. Ich würde mir wünschen, dass mein CRM beispielsweise automatisch erkennt, wenn verglichen mit den Vorjahren die Auslastung während eines bestimmten Zeitraums geringer ist und dann selbstständig per Mail spezielle Sonderangebote an die richtige Zielgruppe versendet. Wir programmieren sowas gerade mit KI.
Das reicht dann schon?
Nein, aber es ist ein wichtiges Mittel. Was ich als Hotelier mehr denn je benötige, ist eine klare Zielgruppenorientierung und das Verständnis für die Anforderungen eben meiner Zielgruppe. Wem das nicht gelingt, der wird am Ende hinten runterfallen. Denn wie heißt es so schön „wer nach allen Seiten hin offen ist, der kann ja nicht ganz dicht sein“.
Zur Person
Der Hotelier und Unternehmer Marco Nussbaum ist seit 30 Jahren in der Branche und arbeitete sich vom Lehrling zum Hoteldirektor hoch. Im Jahr 2006 ist er Mitgründer der Budget-Design-Hotelmarke Prizeotel, die seit 2020 zur Radisson Hotel Group gehört. 2022 gründete er gemeinsam mit seinem damaligen Prizeotel-Partner die Hiamo AG, die ökologische, soziale und wirtschaftliche Visionen für die Individualhotellerie umsetzen soll. Nussbaum ist Vorstandsmitglied im Hotelverband Deutschland (IHA) und im Präsidium des Dehoga Bundesverbandes. Er ist zudem Blogger, zertifizierter Coach und tritt als Keynote-Speaker auf.
Das Interview führte Sven Schneider