Versucht Booking die Ratenparität über Umwege herzustellen?
Markus Luthe, Geschäftsführer des Hotelverbandes Deutschland (IHA), klärt im Live-Interview mit Hotel vor9 über den Stand der Verhandlungen der EU-Kommission mit Booking hinsichtlich der Umsetzung der Gatekeeper-Pflichten auf und berichtet, wie Booking bestimmte Beschränkungen aushebeln will.
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Seit dem 13. Mai 2024 hat Booking.com den Status eines Gatekeepers inne und musste bis zum 14. November 2024 eine Reihe von Auflagen erfüllen. Doch dem Hotelverband gehen die Anpassungen nicht weit genug. Im Gespräch mit Pascal Brückmann, Chefredakteur von Hotel vor9, berichtete Markus Luthe in dem Live-Talk vor rund 160 Hoteliers und Mitarbeitern der Hospitalitybranche über den Stand der Dinge und die derzeitigen Erkenntnisse in dem Verfahren.
Booking setzte verschiedene Maßnahmen ein, um die in Deutschland längst verbotene Bestpreisklausel durch die Hintertür wieder in Kraft zu setzen, führt Luthe einen seiner Kritikpunkte aus. Hierzu zähle das offensichtlich bereits seit längerem bekannte Undercutting, bei dem Booking unabgestimmt mit dem Hotel auf einen Teil seiner Provision verzichtet, um den besten Preis am Markt für ein Hotel anbieten zu können.
Mit dem Algorithmus "widerspenstige" Hotels abstrafen
Einer genauen Untersuchung bedürfe auch die Methode, wie Booking seine Hotellisten erstellt. Denn das Ranking und somit die Sichtbarkeit bei Booking ist ein entscheidender Faktor für Hotels, um überhaupt an Buchungen zu kommen. Hotels, die Booking nicht den besten Preis geben, rutschen im Ranking nach unten, vermutet Luthe. Beweisen könne er dies nicht, da der Algorithmus von Booking nicht offengelegt sei. Dafür zeigt Luthe auch Verständnis, ist die geheime Formel ein wesentlicher Erfolgsfaktor von Booking und natürlich ein gut behütetes Geschäftsgeheimnis des Unternehmens. Allerdings sei die Überprüfung des Algorithmus auf wettbewerbsrechtliche Unbedenklichkeit eine Aufgabe der EU-Kommission, stellt Luthe klar und teilt den interessierten Hoteliers mit, dass er dies bereits der Behörde mitgeteilt habe.
Die großen Portale shoppen untereinander – zum Nachteil der Hotels
Wie kann es sein, dass bei Booking eine Rate für ein Hotel auftaucht, die der Hotelier exklusiv bei einer anderen Buchungsplattform platziert hat? Dem Problem ging der IHA nach und sieht die Ursache im sogenannten Multisourcing, bei dem Booking das Internet möglichst breitwandig nach Preisinformationen scannt. Taucht etwa bei Expedia eine günstigere Rate auf, als sie Booking bekommt, kauft Booking dort dieses Angebot ein und veröffentlicht es auf der eigenen Plattform. Luthe hält es nicht für ausgeschlossen, dass zwischen den Big Playern entsprechende Verträge die Grundlage für solche Deals bilden, und ermuntert die Kartellbehörden, darauf einen genauen Blick zu werfen. In der Praxis führe das bei den betroffenen Hotels zu Unklarheiten und im schlechtesten Fall zu Streitfällen beim Check-in und der Rechnungsstellung, berichtet der IHA-Geschäftsführer. Multisourcing zu diesem Zweck hält Luthe für nicht hinnehmbar und meint: "Wir verlieren die Kontrolle über unsere Preise, tragen aber das volle Risiko. So kann das nicht gehen."
Wer die Daten hat, hat die Macht
Ein weiterer Streitpunkt zwischen Booking und Hotels ist die Frage, wem die Kundendaten gehören und ob Booking verpflichtet ist, diese an die Hotels weiterzugeben. Hier ist die Position des IHA vollkommen klar: Die Stammdaten, von denen die wichtigsten die E-Mail-Adresse und Telefonnummer sind, gehören dem Auftraggeber, dem Hotel. Das begründe sich aus der Tatsache, dass ein Vertrag nur zwischen dem Hotel und dem Kunden geschlossen werde und Booking nur Vermittler sei. Im Zuge der Buchung sammelt Booking noch eine ganze Reihe weitere Daten, die für die Hotels ebenfalls von großem Interesse sind, beispielsweise die Eingaben in Suchfelder, Hotelbewertungen oder über welche Quelle ein Kunde auf die Buchungsplattform kam. Welche Daten wem gehören und was weitergegeben werden muss, darüber herrscht Streit, ohnehin Uneinigkeit zwischen IHA und Booking, die vor dem Hintergrund des DMA noch einmal gänzlich neu bewertet werden müsse, so Luthe.
Wie geht das Gatekeeper-Verfahren weiter?
Nachdem Booking, nach eigener Auffassung, den Verpflichtungen aus dem Digital Markets Act mit den Neuerungen vom 14. November nachgekommen ist, läuft eine Frist von sechs Monaten, in der die EU-Kommission prüft, ob dem so ist – oder nicht. Bis dahin werde es vermutlich einen regen Austausch zwischen den Beteiligten geben. Die IHA übernimmt hierbei eine wichtige Funktion, indem sie die Kommission auf Praktiken sowie deren Wirkungsweise hinweist und die Behörde mit Detailinformationen versorgt.
Frank Winter