Schweizer Hotelmarkt kann nur als Premium existieren
Zweiter Teil des Hotel-vor9-Interviews mit der Schweizer Hotelexpertin Chantal Cartier: Warum die Schweizer Hotels nur im Premium-Segment existieren können und wie die renommierten Hotelfachschulen eine wesentliche Stütze für den qualifizierten Nachwuchs darstellen.
Die Schweizer Hotellerie gilt seit jeher und noch immer als eine Hotellerie von Weltrang mit einem Spitzenniveau in Bezug auf Service und Gastgeberqualität. Sind diese Auszeichnung und dieser Ruf ein stetiger Ansporn oder doch eher eine Bürde in der heutigen Zeit?
Wir können nur als Premium existieren! Wir haben mit dem Schweizer Franken eine Bürde, weil er uns teurer macht als andere angrenzende Destinationen. Deshalb gibt es zu Premium keine Alternative. Das heißt nicht zwangsläufig immer und überall 5-Sterne-Niveau. Es geht vielmehr darum, dass wir in der Breite immer ein sehr gutes Angebot offerieren müssen, angefangen von der Qualität und dem Angebot einer Jugendherberge. Insofern sind diese Versprechen keine Bürde, sondern die Konsequenz von dem, was wir anbieten müssen, um für unsere Gäste überhaupt attraktiv zu sein. Außerdem ist es etwas, auf das wir als Nation stolz sind und auch stolz sein können. Auch wenn das immer eine Gefahr birgt, wenn man diese Dinge für zu selbstverständlich nimmt, dass unsere Services immer automatisch gut sein sollen.
Welche Rolle spielen hier ihre Hotelfachschulen?
Die Basis unseres Erfolges sind sicher auch die unterschiedlichen Hotelfachschulen je nach Ausrichtung und ein sehr gutes duales Ausbildungssystem, über das wir verfügen. Viele Absolventen bleiben in der Hotellerie und werden später zu Entrepreneuren. Und die Arbeitgeber können sich aus diesem Pool an top ausgebildeten Kräften immer wieder bedienen.
Das allein wird aber nicht reichen, um den Bedarf an Fachkräften zu speisen. Wie ist hier der Stand?
Ich habe den Eindruck, dass wir die Talsohle inzwischen durchschritten haben. Wenn ich vor einem Jahr mit Hoteliers gesprochen habe, hieß es meist, mir fehlt die Hälfte des Personals, was ich derzeit ausgeschrieben habe. Das ist heute nicht mehr so. Seit einigem Monaten stellen wir fest, dass es doch wieder möglich ist, Mitarbeiter zu finden. Aber natürlich hängt es sehr von den Bedingungen und auch von der Lage des Hotels ab. Gerade abseits gelegene Berghotels tun sich weiter schwer.
Geben Sie uns doch einmal einen Anhaltspunkt über die Verdienstmöglichkeiten?
Der monatliche Mindestlohn ohne Ausbildung liegt bei 3.582 Franken, der umgerechnete Stundenlohn beträgt 19,68 Franken, also fast 21 Euro. Das ist das Mindeste, Mindeste, Mindeste. Mit abgeschlossener Ausbildung steigt das Monatsgehalt auf mindestens 3.927 Franken. Aber das ist für das Niveau in der Schweiz immer noch nicht sehr viel Geld, da man hier natürlich auch höhere Lebenshaltungskosten hat.
Lesen Sie hier den 1. Teil des Interviews
Der Schweizer Hotelmarkt:
In der Schweiz gibt es derzeit 4.497 Hotelbetriebe (2022), zehn Jahre zuvor waren es noch 4.742 Betriebe. Die brutto Zimmerauslastung liegt bei 50.8 Prozent, wobei die Hotels in den Städten eine bedeutend höhere Auslastung haben (Stadt Zürich 85 %, Genf 62%) im Vergleich zu den Bergregionen, mit Beispielen von Region Graubünden mit 40 Prozent oder dem Wallis mit 47 Prozent Auslastung. Im Jahr 2023 lag der Anteil der Schweizer Gäste bei 50 Prozent. Die Hotellerie als Rückgrat des Schweizer Tourismus erwirtschaftet allein einen jährlichen Umsatz von 8,5 Milliarden Franken (2019) und beschäftigt über 75 000 Angestellte (2022).
Zur Person:
Chantal Cartier’s Welt sind die Hotels. Sie kennt (fast) alle Hotelbetriebe der Schweiz inklusive ihrer Stärken und Schwächen. 2022 hat sie die Hotelgruppe "Responsible Hotels of Switzerland" initiiert. Die Absolventin der Ecole hotelière de Lausanne mit einem Executive MBA der Universität St. Gallen/Rotmann School of Management (Toronto) startete ihre Karriere bei Hyatt in Zürich und wirkte anschließend über zehn Jahre in diversen Funktionen bei Schweiz Tourismus. Heute ist sie CEO & Partnerin der Marketing- und Kommunikations-Agentur Schmid Pelli & Partner AG. Zudem Verwaltungsrätin der Aletsch Arena.
Das Gespräch führte Pascal Brückmann