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28. Juli 2023 | 07:00 Uhr
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In welchem Hotel der Gast nicht mehr König ist

Ole Leidner (Foto) leitet seit April 2022 die Hotels Ketschauer Hof und Kaisergarten im rheinland-pfälzischen Deidesheim und wurde aufgrund anonymer Mitarbeiterfeedbacks vom Schlummer-Atlas zum Top-Hotelier gekürt. Das kommt nicht von ungefähr: Für Leidner ist der Mitarbeiter wichtiger als seine Gäste, wie er im Interview mit Hotel vor9 erklärt.

Ketschauer Hof Deidesheim Ole Leidner GF Foto Ketschauer Hof

Für Ole Leidner ist das Wohlergehen der Mitarbeiter die Basis für gute Geschäfte

Herr Leidner, sie werden oft mit dem Ausspruch zitiert, dass für Sie nicht mehr der Gast, sondern der Mitarbeiter König ist. Warum rücken Sie vom tradierten Hotelcredo ab?

Für mich ist er das schon lange. Ich sehe meine Mitarbeiter positionsbedingt häufiger als meine Gäste. Und wenn ich die nicht in den Fokus rücke, habe ich irgendwann auch niemanden mehr, der meine Gäste bedient. Generell bekommen sie leichter Gäste als qualifizierte Mitarbeiter. Natürlich haben wir als Unternehmen den Auftrag, Geld zu verdienen. Aber das kommt von alleine, wenn meine Mitarbeiter zufrieden sind und ihren Job gerne und gut machen. Dass merken dann nämlich auch die Gäste und kommen gerne wieder.

Wie zeigen Sie das denn Ihren Mitarbeitern?

Ganz entscheidend ist, dass ich für meine Angestellten immer da und greifbar bin. Zu mir kann jeder mit seinen Problemen kommen und bekommt immer schnell einen Gesprächstermin. Wenn beispielsweise Azubis, die für die Ausbildung bei uns aus einer anderen Stadt kamen und mit ihrer Lebenssituation unzufrieden sind, weil vielleicht die von ihnen gesuchte Wohnung Macken hat oder ihnen das soziale Umfeld fehlt, setze ich alle Hebel in Bewegung, dass ihnen geholfen wird, beispielsweise über eine unserer Mitarbeiterwohnungen, wo sie soziale Kontakte pflegen können. Gerade der Generation Z ist das wichtig. Oder ich nutze mein Netzwerk und meine Beziehungen, um für erkrankte Mitarbeiter einen geeigneten Facharzt zu finden, bei dem sie nicht Monate warten müssen. Wir suchen also gemeinsam nach einer Lösung.

Mussten Sie für diese Mitarbeiterzentrierung bei Ihrem Unternehmen alte Zöpfe abschneiden und alles neu machen?

Nein, in abgeschwächter Form gab es das auch vorher schon bei der Ketschauer Hof GmbH, aber wir haben die Mitarbeiterzentrierung noch einmal verstärkt. Beispielsweise haben wir unsere beiden Betriebe im Unternehmen, den Ketschauer Hof und das Hotel Kaisergarten, relativ getrennt voneinander betrachtet. Sowohl in der Diversifikation aus Gästesicht, als auch für die Mitarbeiter. Auch wenn Struktur, Stil und Gäste-Mix in beiden Häusern durchaus unterschiedlich sind und gerade diese Diversität so bezeichnend für die Besonderheit eines jeden Hauses einsteht, so ist eine getrennte Betrachtung in meinen Augen ein Fehler.

Wie meinen Sie das?

Die Azubis und Mitarbeiter wurden strikt in nur dem einen oder anderen Haus eingesetzt. Das ist einengend und unmodern und vor allem raubt es den Mitarbeitern die Chance zur Entwicklung.  In Summe haben wir zwei Hotels und vier Restaurants, allesamt mit unterschiedlichem Charakter und Bedürfnissen. Somit bilden wir unsere Mitarbeiter viel breiter aus. Und wenn ein Mitarbeiter in dem einen Haus nicht so recht glücklich ist, geht er in das andere. Wir schubsen die Angestellten und Azubis dabei keineswegs wild hin und her, jeder hat hier seine Heimat – aber der Wechsel wird erleichtert. Sie haben aber dadurch viel mehr Chancen. Dann arbeitet der Rezeptionist des Kaisergartens eben mal eine Zeitlang im Ketscherhof – ganz einfach. Diesen Blick auf das große Ganze bilden wir auch in unserem Employer Branding, dem Gäste-Marketing und dem Mitarbeiter-Marketing ab.

Hilft das bei der Mitarbeitersuche?

Ja, sehr. Im aktuellen Jahr haben zwölf Azubis bei uns angefangen, wir haben bereits einen Platz für nächstes Jahr besetzt. Es könnten aber auch noch mehr werden. Bei den Festangestellten könnten wir noch Köche und Kellner gebrauchen, aber ansonsten sind wir sehr gut besetzt.

Was bieten Sie Ihren Mitarbeitern denn sonst noch, damit die gerne kommen und bleiben?

Unter anderem eine kostenfreie Personalverpflegung, Boni, Zuschüsse bei Job-Bike oder ÖPNV-Tickets, Abos für Fitnessstudios, vermögenswirksame Leistungen, vergünstigte Zimmerpreise für Familien und Freunde, Rabatte für das Spa und noch einiges mehr. Und wir arbeiten mit einer systemischen Coachin zusammen, die sich bei Bedarf den Mitarbeitern widmet, wenn es mal gerade nicht so gut läuft und ihnen bei ihrer persönlichen Entwicklung hilft. Ich suche keine Duckmäuser, die alles hinnehmen, sondern erwachsene und mündige Mitarbeiter, die Meinungen haben und diese auch vertreten.

Und wo soll die Reise für Sie noch hingehen?

Ich plane, eine Ketschauer-Hof-Akademie einzurichten, um meine Mitarbeiter noch breiter und besser ausbilden zu können. Ich will Weiterbildungen ermöglichen, denn auch ich hätte mich in meiner Anfangszeit gerne noch weitergebildet, wenn ich die Möglichkeiten neben meinem Beruf gehabt hätte.

Das kostet eine Stange Geld, bindet viele Ressourcen und ist für ein größeres und erfolgreiches Unternehmen wie Ihres leistbar. Wie aber soll das ein kleineres inhabergeführtes Haus umsetzen?

Das wird nicht allen möglich sein, das ist klar. Aber man kann schon mit kleinen Dingen viel erreichen. Eine Fokussierung auf den Mitarbeiter kostet nichts, ebenso wie ein offenes Ohr für die Mitarbeiter. Man sollte zuhören, sie ernst nehmen, gemeinsam nach Lösungen suchen und einfach für seine Angestellten da sein.

Und was sollte die gesamte Branche Ihrer Meinung nach tun?

Genau das, und dazu noch eine faire und höhere Bezahlung gewähren. Das haben wir über Jahrzehnte versäumt. Und dann eine eventuelle Preiserhöhung nicht mit den gestiegenen Energiekosten oder der Inflation begründen, sondern mit dem Investment in unsere Mitarbeiter. Wir brauchen dieses Verständnis der Gäste dafür, dass sie den Service nur kriegen, wenn sie auch bereit sind dafür zu bezahlen.

 Zur Person

Der gelernte Koch und Hotelbetriebswirt Ole Leidner aus Kiel leitet seit April 2022 die Ketschauer Hof Hotel- und Restaurant GmbH in Deidesheim, zu der die beiden Hotels Ketschauer Hof und das Kaisergarten Hotel & Spa sowie vier Restaurants gehören. Er ist seit über vierzig Jahren in der Branche, davon seit 28 Jahren als Geschäftsführer und Hoteldirektor. Unter anderem leitete er zwei Relais-Châteaux-Hotels. Bei den diesjährigen Awards des Schlummer-Atlas bekam der Kaisergarten den Preis als Top-Arbeitgeber und Leidner persönlich wurde in der Kategorie Boutique Hotels in die Top 50 der Hoteliers gewählt.

Das Interview führte Sven Schneider.

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