Touristiker machen gegen drohende Steuernachzahlungen mobil
Auf viele von Kurzarbeit betroffene Angestellte warten Forderungen der Finanzämter. Gewerkschaften, Betriebsräte, Unternehmen und Aktionsbündnisse fordern die Aussetzung des Progressionsvorbehaltes auf Lohn- und Entgeltersatzleistungen.
Das Problem ist keineswegs branchenspezifisch, denn es betrifft Angestellte aller Sektoren, deren Arbeitgeber Kurzarbeit angemeldet haben. Allerdings betrifft das Thema gerade in den Sparten Touristik, Hotellerie und Gastronomie besonders viele Menschen, weil diese im Zuge von Lockdowns und touristischen Beherbergungsverboten um große Teile ihrer Einnahmen gebracht sind.
Kern des Dilemmas ist die Tatsache, dass das Kurzarbeitergeld zwar steuerfrei ist, zugleich aber dem so genannten Progressionsvorbehalt unterliegt. Das heißt: Empfangenes Kurzarbeitergeld wird bei der Berechnung des Prozentsatzes, mit dem das übrige Einkommen besteuert wird, mit einbezogen – und je höher das Einkommen, umso höher ist bekanntlich auch der Steuersatz. Konkret bedeutet dies, dass die Beschäftigten neben den ohnehin durch die Kurzarbeit bedingten Einkommensverlusten auch mit Steuernachzahlungsforderungen der Finanzämter oder geringeren Rückzahlungen rechnen müssen.
Arbeitnehmervertreter und Unternehmen appellieren
Darauf machte jüngst auch das Aktionsbündnis Tourismusvielfalt aufmerksam, zu dem sich 28 touristische Verbände zusammengeschlossen haben – darunter etwa der Mittelstandsverband ASR, der Verband Internet Reisevertrieb (VIR), das Forum Anders Reisen und der Verband Selbständiger Reiseberater Deutschland (VSRD). In einem Schreiben heißt es: „Eine Zurückstellung der Corona-Lohnersatzleistungen bei der Besteuerung würde die finanziellen Sorgen der in dieser Krise am schwersten Betroffenen mildern und zu einer sofortigen finanziellen Entlastung beitragen.“
Auch zahlreiche Betriebsräte appellieren in diesem Sinne an die Bundesregierung, darunter der des Rengsdorfer Veranstalters Berge & Meer, der an Reise vor9 schreibt, die Coronakrise betreffe nicht nur die Unternehmen. "Neben den bisher unvergleichbaren wirtschaftlichen Auswirkungen auf den Tourismus sind auch die Arbeitnehmer der Branche ganz individuell von der Corona-Pandemie betroffen", schreiben die Arbeitnehmervertreter.
Online-Petition gestartet
Zu den großen finanziellen Verlusten durch die Kurzarbeit und der Sorge um den Arbeitsplatz kämen nun auch noch Steuernachzahlungen. Deshalb hätten die Betriebsräte verschiedener Touristikunternehmen, im Auftrag tausender Beschäftigter, gemeinsam mit der Gewerkschaft Verdi eine Petition gestartet, um diese zusätzliche finanzielle Belastung zu vermeiden. Das sei auch deshalb wichtig, weil "die Thematik sowohl in diesem als auch im nächsten Jahr auf sehr viele Beschäftigte der Tourismusbranche zukommen wird".